26 Feb
26Feb

(English translation see below)

Geduld ist die Kraft und Weite der Seele, mit der wir friedvoll das Leben annehmen wie es ist. Sie holt uns in den Augenblick, in dem die Macht der Verwirklichung liegt. 

Geduld ist eine wesentliche Eigenschaft – für das Leben allgemein, auch und insbesondere für die spirituelle Entwicklung. In der Mahayana-Tradition gehört die Geduld zu den sechs Pāramitās, den transzendenten Tugenden, die zum Erwachen führen.

Neulich las ich dazu eine humorvolle Zen-Geschichte:

Ein junger Mann suchte einen Zen-Meister auf. „Meister, wie lange wird es dauern, bis ich Befreiung erlangt habe?“ „Vielleicht zehn Jahre“, entgegnete der Meister. „Und wenn ich mich besonders anstrenge, wie lange dauert es dann?“, fragte der Schüler. „In dem Fall kann es zwanzig Jahre dauern“, erwiderte der Meister. „Ich nehme aber wirklich jede Härte auf mich. Ich will so schnell wie möglich ans Ziel gelangen“, beteuerte der junge Mann. „Dann“ erwiderte der Meister, „kann es bis zu vierzig Jahre dauern.“
(Zitiert am 25.3.2021. aus https://www.heisan-zen.de/was-ist-zen/geschichten/

Eigentlich lustig, aber bei mir als einer Person, die seit jeher mit ihrer Ungeduld „kämpft“ und es stets eilig hat (vielleicht ist ja gerade das das Problem?) erweckte diese Geschichte eher gemischte Gefühle.

Dieser Schüler besitzt einen brennenden Wunsch, die Befreiung zu erlangen. Ohne brennenden Wunsch ist solch ein Unterfangen auch nicht zu bewältigen. Darin ist er ein Vorbild.

Die Antwort des Meisters bezieht sich aber nicht auf den brennenden Wunsch des Schülers und seine Bereitschaft, alles zu tun für dessen Verwirklichung – sie bezieht sich vielmehr auf seine Ungeduld, denn er will schnell ans Ziel. Doch gerade die Ungeduld verlängert den Weg. 

Geduld scheint uns oft ein „Verlangsamer“ zu sein. Wer geduldig ist, der „duldet“ – seine Mitmenschen, sich selbst, die Welt, alles so wie es ist. Da ist irgendwie kein Schwung drin, etwas zu verändern, sich selbst und die Welt zum Besseren hin zu gestalten. Besonders in der heutigen Welt: alles muss schnell gehen, sofort, lieber gestern als heute. Die Geduldigen warten und dulden, während die Ungeduldigen aktiv sind und gestalten. Aber das ist eine sehr oberflächliche Sichtweise.

Geduld ist die Kraft der Seele, die Dinge, Geschehnisse, das Leben anzunehmen so wie sie sind, mit all dem Wunderbaren und mit all dem weniger Wunderbaren. Menschen, die die Tugend der Geduld hoch entwickelt haben, haben auch einen tiefen Frieden entwickelt. Sie sind nicht getrieben von ihren Wünschen. Ihre Wünsche verursachen keine Ungeduld oder Unruhe in ihrer Seele. Dennoch sind sie oft zu Großem fähig, gerade weil der Wunsch sie nicht unter Druck setzt, sondern lediglich Brennstoff ist für ihren Fleiß, für das Tun von dem was nötig ist. Der brennende Wunsch ist der Treibstoff, die Flamme, die die Seele beflügelt. Gleichzeitig gibt die Geduld ihnen den Frieden und die Kraft, dem Leben die Zeit einzuräumen, die es für die Reifung, für das Wachstum braucht. 

Alles hat seinen natürlichen Wachstumsprozess: wir können nicht an der Rose ziehen, damit sie schneller wächst – schlimmstenfalls reißen wir sie mit der Wurzel raus und müssen den Prozess von vorne beginnen. Dann dauert es eben nicht ein Jahr, sondern zwei Jahre, bis wir ihren Duft genießen können. Darauf hat wohl auch der Zen-Meister angespielt.

Es ist schön, sich eine duftende Rose im Garten zu wünschen.

 Es ist schön, aktiv und fleißig zu sein und ein Loch zu graben, die Rose zu pflanzen, zu gießen, zu pflegen. 

Und es ist schön, mit liebevoller Geduld ihrem Wachstum zuzusehen und sich über jeden Augenblick ihres Daseins zu freuen. 

Wenn es mir mal wieder zu langsam geht, bei der Arbeit, bei der Meditation, mit meinen spirituellen Mitstreiter*innen – erinnere ich mich an die wunderschöne Rose im Garten. 

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Patience is the strength and wideness of the soul to peacefully endure life as it is. It brings us into the moment where the power of realisation lies. 

Patience is an essential quality - for life in general, but especially for spiritual development. In the Mahayana tradition, patience is one of the six pāramitās, the transcendent virtues that lead to awakening. I recently read a humorous Zen story about it:

A young man went to see a Zen master. "Master, how long will it be before I get liberation?" "Maybe ten years," replied Master. "And if I try particularly hard, how long will it take?" Asked the student. "In that case, it can take twenty years," replied Master. “But I really take on any hardship. I want to get there as quickly as possible, ”said the young man. "Then" replied the master, "it can take up to forty years." (Quoted on March 25, 2021. From https://www.heisan-zen.de/was-ist-zen/geschichten/) 

Actually funny, but for me as a person who has always “struggled” with their impatience and is always in a hurry (maybe that's the problem?) this story evoked rather mixed feelings. 

The disciple in the story has a burning desire to attain liberation. Such an undertaking cannot be accomplished without a burning desire. So, he is a role model in this.

However, the master's answer does not refer to the burning desire of the student and his willingness to do everything for its realization - it refers rather to his impatience, because he wants to achieve his goal quickly. According to the master, it is precisely impatience that lengthens the path. 

Patience often seems to "slow down". Those who are patient “tolerate” - their fellow human beings, themselves, the world, everything as it is. Somehow there is no momentum in it to change something, to shape yourself and the world for the better. Especially in today's world: everything has to happen quickly, immediately, better yesterday than today. The patient person waits and tolerates, while the impatient is active and creative. But that's a very superficial view. 

Patience is the strength of the soul to accept things, events and life as they are, with all that is wonderful and with all that is less wonderful. People who have developed the virtue of patience have also developed deep peace. They are not driven by their wishes/desires. Their wishes/desires do not cause impatience or restlessness in their soul. Nevertheless, they are often capable of great things, precisely because the wish/desire does not put them under pressure, but is only fuel for their diligence, for doing what is necessary. The burning wish/desire is the fuel, the flame that inspires the soul. At the same time, patience gives them the peace and strength to give life the time it needs to mature and grow.

Everything has its natural growth process: we cannot pull the rose to make it grow faster - in the worst case, we will rip it out by the roots and have to start the process all over again. Then it doesn't take a year but two years before we can enjoy their scent. The Zen master probably alluded to this. 

It is nice to wish for a fragrant rose in the garden. 

It's nice to be active and hardworking, digging a hole, planting the rose, watering it, caring for it.

 And it is nice to watch their growth with loving patience and to be happy about every moment of their existence. 

When I I have again the feeling, that things are going to slow – at work, in meditation, with my spiritual colleagues – I remember the beautiful rose in the garden.

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